Auf der Suche nach dem Heiligen Geist

In ihren Pfingstgottesdiensten feiern die christlichen Gemeinden die Entsendung des Heiligen Geistes und damit zugleich die Gründung der Kirche. Einen doppelten Grund zum Feiern haben dabei die so genannten Pfingstkirchen, in denen das Wirken des Heiligen Geistes besonders betont wird: Sie gelten als derzeit weltweit am schnellsten wachsende christliche Gruppierung. Eine kritische Einordnung.

Der Grund für die weltweite Ausbreitung der Pfingstbewegung liegt nicht in ihrer Theologie. Diese ist relativ konservativ und enthält wesentliche Elemente der katholischen Volksfrömmigkeit, zum Beispiel die Heilung der Kranken durchs Gebet, was aber die Pfingstler kaum wissen. Sie verstehen sich als erzprotestantische Freikirche, sie sind Meister der mündlichen Kommunikation nach dem Vorbild Jesu, der sich nicht auf Begriffe und Argumente konzentrierte, sondern auf Gleichnisse und Gleichnishandlungen – im Gegensatz zu unseren Theologen. Diese Sprache zwang die Hörer zum eigenen Nachdenken und Übersetzen.

Für die Pfingstbewegung ist der Heilige Geist nicht in erster Linie ein theologisches Prinzip, sondern eine Erfahrung – was gewiss auch seine Probleme hat. Einige Pfingstkirchen haben sich der Ökumene geöffnet, und es finden regelmäßig Gespräche mit dem Vatikan statt. Auch studieren nicht wenige Pfingstpastoren an renommierten Universitäten. Ob das ein Vorteil oder ein Nachteil für diese ursprüngliche Religion der Armen ist, wird sich erweisen müssen. Das in der Pfingstbewegung übliche Zungenreden ist eine atmosphärische Sprache, die jenseits von klaren Begriffen eine Kommunikationsebene der Gebete eröffnet. Sie wird kritisiert wegen ihres emotionalen Überschwangs, denn in unserer Gesellschaft darf man sich nur auf dem Fußballplatz begeistern und im Kino weinen, nicht aber in der Kirche.

Ihre Hauptverbreitung hat die Pfingstbewegung in der Dritten Welt, wo sie in einigen Ländern das Chris­tentum repräsentiert. In Europa ist sie besonders stark in Skandinavien und Italien.

Von der akademischen Theologie ist sie bis jetzt – von Ausnahmen abgesehen – sträflich vernachlässigt worden. Kritisch ist anzumerken, dass viele Pfingstler ihre persönliche Erfahrung für allgemein verbindlich halten. Die Diktatur des persönlichen Erlebnisses hätte die Kirche nicht fast widerstandslos überrollt, wenn sie nie eine gesunde religiöse Erlebniskultur hätte.

Erschienen in: Die Nordelbische, Ausgabe 22/09 (27. Mai 2009)

1: Kommentar von Martin – 09.12.2009

Das kann ich nur bestätigen, denn ich war selbst lange Zeit der Meinung, daß die Pfingsterfahrung sogar zur Errettung nötig ist. Inzwischen bin ich allerdings am Zweifeln, was diese Erfahrung eigentlich für einene Stellenwert hat. Sie haben ja im International Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements erwähnt, daß Zungenrede vielleicht einfach eine natürliche Fähigkeit der Menschen ist. Ich habe bereits mehrere wissenschaftliche Untersuchungen gesehen, die aber nicht alle in ihren Ergebnissen übereinstimmen. Als natürlcihe Fähigkeit würde Zungenreden aber keine besondere Bedeutung haben (und paßt auch nicht mit 1.Cor 14:22 zusammen, noch mit dem Pfingserlebnis), und der Platz und Nutzen dieser Gabe im christlichen Leben wird dann sehr unklar. Andere wiederum haben versucht, diese Gaben zu prüfen, und geben an, daß 90% der Zungen nicht göttlichen, sonderen dämonischen Ursprungs sind.

Dies beschäftigt mich sehr, und Ihre Einschätzung dieser Fragen würde mich sehr interessieren – auch direkt, falls das auf diesem Blog nicht angemessen ist.

2: Kommentar von Walter J. Hollenweger – 18.12.2009
 
Es gibt nur Natürliches; aber es gibt Dinge, die wir (noch) nicht verstehen.

3: Kommentar von Martin – 03.01.2010
 
Ist das nicht Materialismus?
Wenn das tatsächlich so ist, sind Sie dann der Meinung, daß Zungenreden keinerlei höhere Bedeutung hat? Wenn es natürlich ist, wie kann Paulus behaupten, der Zungenredner spreche Geheimnisse zu Gott, und durch den Geist? Wenn das jeder kann, dann kann es doch keine Gebetssprache sein, die Christen auszeichnet. War sich Paulus dessen nicht bewußt als er fast ein ganzes Kapitel darüber schrieb? Denn dann wäre die Pfingstbewegung tatsächlich auf einem völlig falschen Dampfer. Wenn sie nur entdeckt haben, was natürlicherweise sowieso mögich ist, dann hat diese Bewegung doch keine besondere Berufung, und wir können sie getrost ignorieren. Genau wie viele Verse in der Bibel, die sich damit auseinandersetzen. Oder bin ICH hier auf dem falschen Dampfer in meinem Verständnis dessen, was Sie oben geantwortet haben?

4: Kommentar von D.L – 07.05.2010
 
Sehr geehrter Herr Hollenweger,
was ist das Phänomen an der starken Ausbreitung der Pfingstkirchen in der Dritten Welt. Was mist das Erfolgsgeheimnis gegenüber den traditionellen christl. Kirchen?
Geht eine Faszination von der Pfingstbewegung aus oder ist es die einfache Sprache, die jeder leicht sich zu Herzen nehmen kann? Dies ist ein wirklich interessantes Thema. Über eine Antwort, auch per Mail, wenn nicht in diesem Blog, würde ich mich sehr freuen!

5:  Kommentar von Walter J. Hollenweger – 25.05.2010
 
Der Grund für die weltweite Ausbreitung der Pfingstbewegung liegt nicht in ihrer Theologie. Diese ist relativ konservativ und enthält wesentliche Elemente der katholischen Volksfrömmigkeit (zum Beispiel die Heilung der Kranken durchs Gebet), was aber die Pfingstler selber kaum wissen.
Sie verstehen sich als erzprotestantische Freikirche, sie sind Meister der mündlichen Kommunikation nach dem Vorbild Jesu, der sich nicht auf Begriffe und Argumente konzentrierte, sondern auf Gleichnisse und Gleichnishandlungen – im Gegensatz zu unseren Theologen. Diese Sprache zwang die Hörer zum eigenen Nachdenken und Übersetzen.

Für die Pfingstbewegung ist der Heilige Geist nicht in erster Linie ein theologisches Prinzip, sondern eine Erfahrung – was gewiss auch seine Probleme hat. Einige Pfingstkirchen haben sich der Ökumene geöffnet und es finden regelmässig Gespräche mit dem Vatikan statt. Auch studieren nicht wenige Pfingstpastoren an renommierten Universitäten. Ob das ein Vorteil oder ein Nachteil für diese ursprüngliche Religion der Armen ist, wird sich weisen müssen.
Die Hauptverbreitung hat die Pfingstbewegung in der Dritten Welt, wo sie in gewissen Ländern das Christentum repräsentiert. In Europa ist sie besonders stark in Skandinavien und Italien.
Von der akademischen Theologie ist sie bis jetzt – von Ausnahmen abgesehen – sträflich vernachlässigt worden.

Das in der Pfingstbewegung übliche Zungenreden ist eine atmosphärische Sprache, die jenseits von klaren Begriffen eine Kommunikationsebene des Gebets eröffnet.

Die Pfingstbewegung wird kritisiert wegen ihres emotionalen Überschwangs, denn in unserer Gesellschaft darf man sich nur auf dem Fussballplatz begeistern und im Kino weinen, nicht aber in der Kirche.
Kritisch ist anzumerken, dass viele Pfingstler ihre persönliche Erfahrung für normativ halten. Die Diktatur des persönlichen Erlebnisses hätte die Kirche nicht fast widerstandslos überrollt, wenn sie eine gesunde religiöse Erlebniskultur hätte.

6:  Kommentar von Oscar Rufer – 23.08.2010
 
Sehr geehrter Herr Hollenweger
Eben, ich bin Oscar Rufer von Zürich. Vor sehr langer Zeit, im September 1986, hatte ich Ihnen nach Birmingham geschrieben. Und sie hatten mir nach wenigen Tagen geantwortet. Dafür war ich Ihnen sehr dankbar.
Nun, der Blog eröffnet ganz andere Möglichkeiten. Man kann etwas beitragen. Ob und wie aber geantwortet wird, ist im Ermessen desjenigen, der einen Blog führt.
Martin schreibt in seinem Kommentar vom 09.12.2009, dass er selbst lange Zeit der Meinung war, dass die Pfingsterfahrung zur Errettung nötig sei. Ja, wer war denn nicht dieser Meinung? So war dies jedenfalls das «Credo» dieser evangelikalen Freikirche
(zu jener Zeit sagte man noch oft «Sekte»), in der Zeit bis zum Jahre 1960, während der ich in der Pfingstmission Zürich dabei war. Von daher war ich dann die folgenden Jahre eine heimatlose «Freichilälich»! Wobei es natürlich unmöglich war, eigene Probleme und die «empfangenen» Probleme zu unterscheiden. Wenn man diese aber überwunden hat, ist es auch nicht mehr wichtig!
Aber bis…. das kann ein sehr weiter und «dornenvoller» Weg sein!
Das Zungenreden: Ja, Herr Hollenweger, Sie und ich wissen (wenn auch ich als Knabe, dannzumal), wie die Gemeindeleiterin der Pfingstmission Zürich, Frau Elsa Meier, in Zungen redete. Es ist so lange her, dass wir offen darüber schreiben dürfen, ohne dass wir eine Persönlichkeitsverletzung begehen. Woran ich mich am meisten erinnere: Es dauerte jeweils viel zu lange. Intellektuell dürfte man kaum an das Problem herangehen können. Was aber doch interessant ist: In einer Gemeinde wird das Zungenreden eigentlich nur von «arrivierten» Mitgliedern akzeptiert. Und die Zungensprache von Frau Meier hatte doch einen gewissen Rhytmus.
Der «Buchegg» (wie die Pfingstmission Zürich intern genannt wird) hat einen enormen Zulauf. Ohne jegliche Propaganda. Wie auch?
Hier müsste man allerdings, nur lokal betrachtet (im Gegensatz zur weltweiten Pfingstbewegung) auch noch die «International Christian Fellowship» erwähnen. Die hat laufend offenbar noch mehr Leute, als die «PfiMi». Aber vermutlich bleiben die auch für kürzere Zeit, als die «Buchegger»! Aktiv, durch Traktat oder Stände, kann man heute keine neuen Leute gewinnen. Mir tun die Frauen leid, die für die Zeugen Jehovas ihre Traktate anbieten.
Abschliessend möchte ich noch etwas sehr schönes zitieren aus dem Buch des Jesuitenpaters Mario von Galli mit dem Titel «Gott will die Freude»: «Der Geist weht, wo er will, steht schon in der Bibel. Die Katholische Kirche hat ihn nicht allein gepachtet. Das wird ja langsam den meisten immer klarer. Auch während des Konzils, das ja die Fenster öffnete, zeigte sich das. So wurde zum Beispiel Kardinal Bea, der das Sekretariat zur Förderung der christlichen Einheit (Bischof Kurt Koch lässt grüssen; Anmerkung von O. Rufer!)leitete, auf David du Plessis aufmerksam, den weltbekannten Vertreter der Pfingstbewegung, der auch schon Zugang zum Weltkirchenrat gefunden hatte. Du Plessis wurde sogar Paul VI. vorgestellt, der ihn mit den Worten begrüsste: «Sie sind also der Mr. Pentecost?» – «Nun ja, man nennt mich wenigstens so», antwortete der. Paul VI. war ebenfalls sehr von diesem Mann angetan. Es war wie ein Zusammenklang der Herzen».
Was mich anbelangt, so lese ich sehr gerne Bücher von Anselm Grün (wer nicht?)und auch von Anthony de Mello, dem indischen Jesuiten. Oder Biographien über katholische Heilige, insbesondere die Geschichte vom Heiligen Benedikt und dem Kloster Montecassino. Aber konvertieren werde ich trotz allem nicht. Aus dem einfachen Grund: ER würde in diesem Falle sicher sagen: «Mär hetted dich au als ehemaligä Pfingschtler gnah!» Und an der Eucharistiefeier nehme ich sowieso nicht teil, sonst müsste ich es wirklich tun.
Jetzt sage ich Ihnen freundliche Grüsse und Ihrer Frau auch und Ihrer Schwägerin, Irène Hummel-Busslinger, ebenfalls. Osca Rufer